TS-POLITIK
TSG-Reform 2009
63.a) Zweite und dritte Ber CDU/CSU,SPD
Transsexuellengesetz/Änd
(Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz - TSG-ÄndG)
- Drs 16/13157, 16/.... -
63.b) Zweite und dritte Beratung B90/DIE GRÜNEN
Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit
(ÄVFGG)
- Drs 16/13154, 16/.... -
zum Antrag DIE LINKE.
Transsexuellengesetz aufheben - Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle schaffen
- Drs 16/947, 16/12893, 16/.... -
63.c) Beratung Antrag FDP
Reform des Transsexuellengesetz für ein freies uns selbstbestimmtes Leben
(Transsexuellengesetz - TSG)
- Drs 16/9335 -
(TOP 63a-c, 00:30 Stunden)
Protokollauszug:
Tagesordnungspunkt 63
a)
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Transsexuellengesetzes (Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz -
TSG-ÄndG)
- Drucksache 16/13157 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irmingard
Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)
- Drucksache 16/13154 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irmingard
Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz -
TSG)
- Drucksache 16/4148 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
- Drucksache 16/13410 -
- unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/13157 gemäß
Nummer 1 der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/13410
- Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/13154 in zweiter
Beratung gemäß Nummer 2 der Beschlussempfehlung auf Drucksache
16/13410
- Annahme der Nummer 3 der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/13410
Damit wird der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/4148 für erledigt
erklärt.
b)
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
(4. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck
(Köln), Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
Selbstbestimmtes Leben in Würde ermöglichen - Transsexuellenrecht
umfassend reformieren
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten
Tackmann, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE.
Transsexuellengesetz aufheben - Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle schaffen
- Drucksachen
16/947, 16/12893,
16/13410 -
Annahme der Nummern 4 und 5 der Beschlussempfehlung auf Drucksache
16/13410
Damit werden der Antrag auf Drucksache 16/947 für erledigt erklärt und
der Antrag auf Drucksache 16/12893 abgelehnt.
c)
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler,
Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Reform des Transsexuellengesetzes für ein freies und selbstbestimmtes
Leben
- Drucksache 16/9335 -
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/9335
Sämtliche Punkte wurden am 17.6 in den folgenden Ausschüssen
behandelt: Rechtsausschuss, Ausschuss für Frauen und Familien,
Innenausschuss, Ausschuss für Menschenrechte. In diesem Ausschuss
wurden darüber hinaus noch der Antrag der FDP "Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgendern in Deutschland und weltweit schützen
- Drs 16/12886" behandelt.
Dieser Antrag wurde in der 227. Sitzung des Bundestags am
18.06.2009 abgelehnt. Protokollauszug:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen, Michael Kauch, Florian Toncar,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern in
Deutschland und weltweit schützen
- Drucksachen 16/12886, 16/13414 -
Annahme der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/13414
Das bedeutet:
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/12886
Zudem gab es im Familienausschuss auch eine öffentliche Anhörung zum Thema
"Gleichstellungspolitik in der Lebensverlaufsperspektive". Danach
erfolgt eine Anhörung zum Alternativbericht der Allianz von
Frauenorganisationen Deutschlands CEDAW.
Inzwischen steht die Tagesordnung des Bundestags fest. Die
erste Lesung der unten wiedergegebenen Anträge zum TSG wird in
der 224. Sitzung am 28.5.2009 stattfinden.
Seit dem 23.5.2009 ist bekannt, dass definiv nur der
Scheidungszwang in § 8 an die aktuelle Rechtssprechung angepasst
werden soll. Details der Ausgestaltung der geplanten Änderung
sind nach wie vor nicht bekannt. S.u., Beschluss der
CDU/CSU-Fraktion, die im Namen der Koalition umgesetzt werden
soll. Die FDP fordert am 26.5. 2009 eine fundierte Reform des
Gesetzes zu Beginn der kommenden Legislaturperiode. Von der SPD
ist keine inhaltlich eigenständige Reaktion bekannt.
Die in Gesetzgebungsverfahren übliche und erforderliche
Anhörung von Betroffenen und Fachleuten fand leider nur pro forma
auf Druck von außen statt.
Am Nachmittag des letzten Tages vor der Plenarsitzung wurde
auch die Vorlage für Punkt 26a der Tagesordnung zugängig gemacht:
Drs
16/13157
Am 27.5.2009 legten auch die Grünen einen Reformentwurf vor:
Drs
16/13154
Insgesamt werden drei Äntrage zum Thema behandelt:
17.) Beratung Antrag FDP
Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgendern in Deutschland und weltweit schützen
- Drs 16/12886 - http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/128/1612886.pdf
(TOP 17, 00:30 Stunden)
26.a) Erste Beratung CDU/CSU, SPD
Transsexuellengesetz/Änd
(Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz - TSG-ÄndG)
- Drs 16/.... -
26.b) Beratung Antrag DIE LINKE.
Transsexuellengesetz aufheben - Rechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten für Transsexuelle, Transgender und
Intersexuelle schaffen
- Drs 16/12893 - http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/128/1612893.pdf
ZP.6) Erste Beratung B90/DIE GRÜNEN
Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Gechlechtszugehörigkeit (ÄVFGG) - Drs 16/13154 - http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/128/1613154.pdf
(TOP 26a+b, ZP.6 insg. 00:30 Stunden)
Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 26 a und 26 b sowie
Zusatzpunkt 6:
26 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Transsexuellengesetzes
(Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz TSG-ÄndG)
Drucksache 16/13157
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für
Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann, Werner Dreibus,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Transsexuellengesetz aufheben Rechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten für Transsexuelle, Transgender und
Intersexuelle schaffen Drucksache 16/12893
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP 6 Erste Beratung des von den Abgeordneten Irmingard
Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai
Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung
der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugeh örigkeit
(ÄVFGG)
Drucksache 16/13154
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Folgende Kolleginnen und Kollegen haben ihre Reden zu
Protokoll gegeben: Helmut Brandt, Gabriele Fograscher, Gisela
Piltz, Dr. Barbara Höll und Irmingard Schewe-Gerigk.
Wir beraten heute über den Gesetzentwurf der
Koalitionsfraktionen zur Änderung des Transsexuellengesetzes, dem
ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2008
vorausgeht.
In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht
festgestellt, dass § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG nicht
vereinbar sei. Im Klartext bedeutet das, es sei
verfassungswidrig, für Transsexuelle eine Personenstandsänderung
nur unter dem Vorbehalt der Ehelosigkeit des Betroffenen
vorzunehmen. Nach derzeit geltendem Recht müssen sich
verheiratete Transsexuelle erst scheiden lassen, bevor sie von
Amts wegen dem anderen Geschlecht zugeordnet werden können,
selbst dann, wenn beide Ehepartner die Fortführung ihrer Ehe
wünschen. Nach dem geltenden Scheidungsrecht müssen sie vor dem
Scheidungsrichter lügen, um ihn von der Zerrüttung ihrer Ehe zu
überzeugen. Das ist kein Zustand. Dem müssen wir entgegenwirken.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Amtshandlungen zur Farce
werden.
Mit diesem Gesetzentwurf entsprechen wir voll und ganz den
Forderungen des Bundesverfassungsgerichts. Verheiratete
Transsexuelle, die eine Personenstandsänderung anstreben, können
nun bei Erfüllung aller sonstigen Kriterien ihre Ehe fortführen,
sofern sich beide Partner ausdrücklich damit einverstanden
erklären. In der Konsequenz bedeutet das, dass wir damit einer
sehr geringen Anzahl von Menschen die Möglichkeit einer de facto
gleichgeschlechtlichen Ehe eröffnen. Lassen Sie mich dazu einige
Anmerkungen machen.
Erstens das möchte ich in aller Klarheit sagen : Der
Wegfall der Ehelosigkeit als Voraussetzung in § 8
Transsexuellgesetz präjudiziert keineswegs die Einführung der
gleichgeschlechtlichen Ehe. Das Prinzip, wonach eine Ehe nur
zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden kann,
bleibt durch dieses Gesetz zu Recht unber ührt. Wir würden einer
Abschaffung dieses Prinzips auch vehement entgegenwirken.
Es geht in diesem Gesetzentwurf darum, den betroffenen
Eheleuten die Möglichkeit zu geben, ihre rechtmäßig geschlossene
Ehe fortzuführen, sofern sie es denn wünschen, auch wenn einer
von beiden eine Personenstandsänderung beantragt, nachdem er sich
einer unwiderruflichen und im Übrigen zur Zeugungsunfähigkeit
führenden Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Dieses
Doppelkriterium wie auch die sonstigen strengen Auflagen bleiben
bei der Personenstandsänderung nämlich unberührt.
Nun kann ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen,
dass sich jemand einer Hormonbehandlung und einem operativen
Eingriff dieses Ausmaßes unterwirft, nur um eine nun
gleichgeschlechtlich gewordene Ehe fortführen zu können und somit
das oben genannte Prinzip der Ehe zwischen Mann und Frau zu
unterminieren. Ich kann nur erahnen, mit wie viel
Unannehmlichkeiten, ja Leid diese Behandlungen verbunden sind,
sodass meiner Überzeugung nach nicht davon auszugehen ist, dass
sie von den betroffenen Menschen leichtfertig in Kauf genommen
würden, nur um das Gesetz zu umgehen. Ich glaube vielmehr, dass
diese Tatsache dafür spricht, dass die Ehe als eine auch mir
persönlich sehr wichtige Institution durch die Gesetzesänderung
des Transsexuellengesetzes nicht gefährdet und nicht infrage
gestellt wird. Sie wird erst recht nicht der
gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gleichgestellt.
Zum vom Grundgesetz in Art. 6 Abs. 1 festgeschriebenen
besonderen Schutz der Ehe gehört meiner Ansicht nach auch, dass
sich der Staat nicht in rechtskräftige Ehen einmischen darf,
sofern diese dem geltenden Recht und den Anliegen der Eheleute
entsprechen. Diese äußerst seltenen de facto
gleichgeschlechtlichen Ehen, die so manchem Sorgen bereiten
könnten, wurden als Ehen zwischen Mann und Frau geschlossen und
sind somit rechtens. Die Frage, die das Bundesverfassungsgericht
zu entscheiden hatte, ist folgende: Darf der Staat Eheleute gegen
ihren Willen zur Scheidung zwingen, wenn nach der
Personenstandsänderung beide dem gleichen Geschlecht zugeordnet
sind? Wir müssen in diesem Punkt dem Bundesverfassungsgericht
zustimmen und dem Willen der Eheleute folgen. Täten wir das
nicht, gerieten wir bei Beibehaltung des jetzigen Rechts wider
Willen in die Gefahr, die Institution Ehe zu schwächen, nämlich
dann, wenn wir dem Staat dieses Recht auf erzwungene Scheidung
beließen. Man stelle sich einmal vor, der Staat würde sich
anmaßen, eine völlig normale Ehe gegen den Willen der Beteiligten
scheiden zu wollen.
Natürlich muss aber auch gleichzeitig gewährleistet sein, dass
die Personenstandsänderung ein Scheidungsgrund für beide Partner
sein kann. Ich kann nämlich auch jene Betroffenen verstehen, die
die Personenstandsänderungen als so schwerwiegende Veränderung
werten, dass sie der Ansicht sind, dass die Ehe nicht fortgeführt
werden kann. Deshalb ist es unabdingbar, dass beide Partner
sowohl bei der Namens- als auch bei der Personenstandsänderung
beteiligt sind und bleiben. Das Recht auf pers önliche
Selbstbestimmung des Antragstellers darf nicht bedeuten, dass der
unmittelbar betroffene Partner nicht einbezogen werden darf; im
Gegenteil.
Nun einige Ausführungen zum Zustandekommen dieser
Gesetzesänderung. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich als
zuständiger Berichterstatter der CDU/CSUFraktion im
Innenausschuss des Deutschen Bundestages mit Änderungsvorschlägen
zum Transsexuellengesetz. Es ergibt sich meiner Ansicht nach noch
weiterer Änderungsbedarf, der zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr
berücksichtigt werden konnte. Tatsächlich hat uns das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auferlegt, die in
diesem Änderungsgesetz vorgenommenen Modifizierungen noch vor dem
1. August 2009 vorzunehmen. So war es nicht möglich, innerhalb
eines Jahres legitime prozedurale Erleichterungen für die
Transsexuellen sowohl bei der Vornamensänderung, der sogenannten
kleinen Lösung, als auch bei der Personenstandsänderung, also der
,,großen Lösung", umzusetzen. Diese müssen auf die nächste
Legislaturperiode vertagt werden.
Lassen Sie mich Ihnen einige dieser potenziellen zuk ünftigen
Änderungen kurz vorstellen. Da das ursprüngliche Gesetz aus dem
Jahre 1980 stammt, berücksichtigt es nicht aktuellste
medizinische Erkenntnisse zur Transsexualität. So wird im
Transsexuellengesetz in § 1 Abs. 1 und 3 Nr. 2 die
,,Unumkehrbarkeit der inneren Überzeugung" in Bezug auf die
Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zum Kriterium für eine
Namensänderung gemacht, die ihrerseits eine Vorstufe zur
Personenstandsänderung ist.
Heutzutage gehen Psychologen jedoch davon aus, dass von einer
völligen ,,Unumkehrbarkeit" in Fragen der sexuellen Zugehörigkeit
und Neigung im Allgemeinen nicht die Rede sein dürfe, da diese
Unumkehrbarkeit nie mit völliger Sicherheit festgestellt werden
könne. Somit könnten sich Ärzte um des Selbstschutzes willen
weigern, ein solches Zeugnis auszustellen. Vielmehr sollte das
ärztliche Attest feststellen, dass ,,eine fortdauernde innere
Überzeugung" bezüglich der sexuellen Identität vorliege. Dieser
Frage wird sich der 17. Deutsche Bundestag annehmen müssen.
Im Übrigen erschiene es mir sinnvoll, zugunsten eines
ärztlichen auf ein explizit ,,fach"ärztliches Zeugnis zu
verzichten. Somit stünde den Antragstellern frei, sich an den
Arzt ihres Vertrauens zu wenden, der sie seit Jahren betreut.
Andere strittigere Punkte bedürfen noch der intensiven
Prüfung. All das wird der nächste Bundestag zu beurteilen und
gegebenenfalls umzusetzen haben.
Wichtig ist heute, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen,
denn er geht in die richtige Richtung. Zum einen bringt er das
Transsexuellengesetz mit dem Grundgesetz in Einklang und trägt
zum anderen den legitimen Wünschen von betroffenen Personen
Rechnung.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt diesem Gesetzentwurf folglich
zu.
Gabriele Fograscher (SPD):
Wir beraten heute drei Vorlagen zur Änderung des
Transsexuellengesetzes. Anlass für notwendige Änderungen sind
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die einige Teile
des Transsexuellenrechts als verfassungswidrig erklärt haben.
Der Gesetzgeber hat die Auflage, den verfassungswidrigen
Zustand des § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG Gebot der Ehelosigkeit bei
Personenstandsänderungen bis zum 1. August 2009 zu beseitigen.
Dieser Auflage des Bundesverfassungsgerichts kommen wir mit dem
von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf nach, der
die Streichung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 vorsieht. Damit wird es
Transsexuellen ermöglicht, eine rechtliche Anerkennung der neuen
Geschlechtsidentität zu bekommen, ohne sich scheiden lassen zu
müssen. Es handelt sich hierbei um eine geringe Zahl von
Transsexuellen, die erst während der Ehe ihre Transsexualität
entdeckt oder offenbart haben und deren Ehe an dieser
tiefgreifenden Veränderung der Paarbeziehung nicht zerbrochen
ist, sondern nach dem Willen beider Ehegatten fortgesetzt werden
soll. Diese Änderung begrüßen wir.
Für meine Fraktion kann ich sagen: Wir hätten uns mehr
gewünscht. Das Transsexuellengesetz ist fast 30 Jahre alt und
entspricht weder dem Stand der Wissenschaft noch der
Lebenswirklichkeit. Eine umfassende Novellierung ist
notwendig.
Im Einzelnen: Die Vornamensänderung sollte erleichtert werden.
Das wurde auch in dem öffentlichen Fachgespr äch mit Betroffenen
und Sachverständigen des Innenausschusses im Februar 2007
deutlich. Bisher muss der Antragsteller mindestens seit drei
Jahren in dem anderen Geschlecht, dem er sich zugehörig fühlt,
leben, und es muss mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen
werden, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen
Geschlecht nicht mehr ändert.
Zudem ist ein Vertreter des öffentlichen Interesses beim
Verfahren vor dem Amtsgericht anwesend, und Gutachten von zwei
Sachverständigen, die sich mit Transsexualismus auskennen, sind
einzuholen. Diese hohen Hürden sind eine große psychische und
finanzielle Belastung für die Antragsteller und führen dazu, dass
sich die Verfahren bis zu zwei Jahre hinziehen können. Wir
könnten uns vorstellen, auf den Vertreter des öffentlichen
Interesses und auf die Gutachten zu verzichten, und sehen es
stattdessen als ausreichend an, ein ärztliches Zeugnis
vorzulegen. Eine Antragstellung auf Vornamensänderung beim
Standesamt wäre für uns denkbar. Damit könnten die Kosten, auch
für den Staat, und die Dauer der Verfahren wesentlich gesenkt
werden.
Voraussetzung für die Personenstandsänderung ist die
Vornamensänderung. Das halte ich auch weiterhin für richtig. Das
Gebot der Ehelosigkeit wird durch den heute vorliegenden
Gesetzentwurf bereits aufgehoben. Als problematisch sehe ich aber
die Forderung nach einer dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit
und den zwingenden operativen Eingriff zur Angleichung der
äußeren Geschlechtsmerkmale. Nach heutigem Stand der Wissenschaft
kann aus der weitgehend sicheren Diagnose ,,Transsexualität"
keine Indikation für geschlechtsumwandelnde Maßnahmen abgeleitet
werden.
Zwischen 20 Prozent und 30 Prozent der Transsexuellen wollen
laut Deutscher Gesellschaft für Sexualforschung keine
Geschlechtsumwandlung. Deshalb entspricht die Annahme, jeder
Transsexuelle strebe mit allen Mitteln die Veränderung seiner
Geschlechtsmerkmale an, nicht mehr der Lebenswirklichkeit. Man
kann die Zeit zwischen ,,kleiner Lösung" Vornamensänderung
und ,,großer Lösung" Personenstandsänderung nicht mehr als
Durchgangsstadium ansehen. Die Deutsche Gesellschaft für
Sexualforschung stellt dazu fest, dass die Tatsache, dass ein
Antragsteller für eine Vornamensänderung keine
geschlechtstransformierenden operativen Eingriffe anstrebe,
keinen Zweifel an der Diagnose ,,Transsexualität'' zulasse. Zudem
muss die Frage gestellt werden, ob irreversible chirurgische oder
medizinische Eingriffe für eine Fortpflanzungsunfähigkeit und
Geschlechtsumwandlung zur Änderung des Personenstandes nach § 8
Abs. 1 Nrn. 3 und 4 TSG vereinbar sind mit dem Grundrecht auf
körperliche Unversehrtheit. Ich halte diese Forderung des § 8 TSG
für einen unangemessenen Eingriff des Staates in die Grundrechte
von Menschen. Auch führt diese Regelung zu einer
Ungleichbehandlung von Transsexuellen: Anerkannte Transsexuelle
mit Geschlechtsangleichung können ihren Personenstand ändern;
anerkannte Transsexuelle, die, aus welchen Gründen auch immer,
keine Operation vornehmen lassen, können den Personenstand nicht
ändern. Meiner Meinung nach sollte diese Ungleichbehandlung
aufgehoben werden. Darum werden wir uns dann in der nächsten
Legislaturperiode kümmern müssen.
Nun zu den weiteren vorliegenden Initiativen. Der
Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen will das
Transsexuellengesetz durch ein Gesetz über die Änderung der
Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
ersetzen. Anlass für diesen Gesetzentwurf ist die Tatsache, dass
das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen einzelne
Vorschriften des Transsexuellengesetzes als verfassungswidrig und
somit nicht mehr anwendbar erklärt hat. Die Grünen wollen sowohl
die Vornamensänderung als auch die Personenstandsänderung von den
nach Landesrecht für das Personenstandswesen zuständigen Behörden
vornehmen lassen. Für die Änderung des Vornamens habe ich bei
einer solchen Regelung keine Bedenken. Bei der Änderung des
Personenstandes würde ich weiterhin die Entscheidung des
zuständigen Gerichts befürworten, da es sich hierbei um einen
weitreichenden Akt mit größeren Rechtsfolgen handelt.
Die Linken fordern unter anderem in ihrem Antrag, dass mehrere
Vornamen verschiedenen Geschlechts möglich sein sollten und dass
neben den personenstandsrechtlichen Geschlechtern ,,männlich'' und
,,weiblich'' auch die Einträge ,,intersexuell'' und ,,transgender''
zugelassen werden sollen. Dies schafft meines Erachtens mehr
Verwirrung und Probleme für Transsexuelle, als dass es zu
tatsächlichen Erleichterungen im Alltag kommt.
Ich sehe Handlungsbedarf über die jetzt vorgelegte Änderung
hinaus und hoffe, dass der nächste Deutsche Bundestag in neuer
Konstellation zu Regelungen kommt, die das Leben und den Alltag
der Betroffenen erleichtern.
Gisela Piltz (FDP):
Ich muss schon sagen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen
von Union und SPD, dass mich der heute von Ihnen hier vorgelegte
Gesetzentwurf sehr verwundert. Das Hü und Hott Ihrer Gesetzgebung
ist schon ein Trauerspiel. Ich finde es unerträglich, wie Sie mit
den Betroffenen umgehen. Erst passiert gar nichts, dann wird ein
Referentenentwurf erarbeitet, dann wird er wieder zur ückgezogen,
dann landet ein ganz anderer hier im Plenum. Für diejenigen
Menschen, die endlich Rechtssicherheit haben wollen, die endlich
ein verfassungsgemäßes und vor allem zeitgemäßes
Transsexuellengesetz erwarten und das völlig zu Recht , ist
das schon Umgang, der von grober Missachtung zeugt.
Als ich den heute hier vorliegenden Gesetzentwurf gelesen
habe, musste ich mir erst einmal verwundert die Augen reiben:
Jetzt doch nur die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils ?
Gerade noch rechtzeitig vor Fristablauf? Das entspricht nicht
dem, was als große Reform angekündigt war und nicht nur
angekündigt, sondern vor allem sehnlich erwartet. Seit vielen
Jahren warten die Betroffenen auf eine Regelung, die ihre Rechte
und insbesondere ihre Würde achtet und sich dabei an aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Die Bundesregierung
hat diese berechtigten Erwartungen stets ignoriert und ist
untätig geblieben. Sie hat sich mitnichten um die Betroffenen
gekümmert, sondern es immer wieder darauf ankommen lassen, dass
das Bundesverfassungsgericht ihr die Entscheidung abnimmt. Das
ist kein verantwortungsvoller Umgang mit der Verantwortung. Das
ist unerträgliche Ignoranz.
Noch im April hat die Bundesregierung dann ein Gesetz
vorbereitet, das angeblich dieser großen Reform dienen sollte.
Allerdings hat sie dabei erneut alle schon längst bekannten
notwendigen und von den betroffenen Verbänden mit großer
Sachkunde vorgetragenen Lösungsvorschläge schlichtweg ignoriert.
Im Hauruckverfahren wurde ohne vorherige Beteiligung des hohen
Sachverstands der Verbände ein Referentenentwurf vorgelegt, von
dem man allerdings nur sagen kann, dass es ein Glück ist, dass er
nicht das Licht dieses Hauses erblickt hat. Immerhin. Denn es
wäre ja auch nichts Neues, dass die Bundesregierung völlig
untaugliche Gesetzentw ürfe wider besseres Wissen hier im
Bundestag mit ihrer Koalitionsmehrheit durchpeitscht ohne
Rücksicht auf Verluste. Wenigstens das bleibt uns hier erspart.
Insofern ist es tatsächlich sogar besser, heute nur die
Minimallösung vorzunehmen, um wenigstens endlich der Vorgabe des
Verfassungsgerichts nachzukommen. Denn das, was die
Bundesregierung unter einer großen Reform versteht, wäre für die
Betroffenen keine Verbesserung gewesen, sondern nur ein großer
Murks.
Daher bin ich im Grunde sogar froh, dass dieser verwunderlich
schmale Gesetzentwurf heute hier vorliegt. Damit werden zwar
immer noch nicht die zahlreichen Probleme gelöst, damit wird zwar
immer noch die schon lange erforderliche umfassende Neuregelung
vertagt; aber wenigstens werden nicht die bisher bekannten völlig
unzureichenden und sogar falschen Vorschläge der Bundesregierung
Gesetz.
Die jetzt vorgelegte Änderung ist auch aus Sicht der
FDP-Fraktion zwingend geboten, aber sie darf nicht das Ende des
Themas sein. Im Gegenteil: Die eigentliche Arbeit einer
umfassenden Reform muss jetzt endlich unter Einbeziehung der
Verbände beginnen. Genau hier aber gibt es keinerlei Anzeichen,
dass die Bundesregierung das Problem auch nur angehen will. Mit
keinem Wort wird in der Gesetzesbegründung erwähnt, dass hier
erst ein winziger Anfang gemacht wird, dass auf jeden Fall noch
mehr folgen wird, ja folgen muss.
Aus unserer Sicht aber muss das Thema unbedingt auf der Agenda
bleiben: Eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes, die
Verfahrenserleichterungen und Entbürokratisierungsmaßnahmen
vorsieht und die insbesondere endlich das Erfordernis der
dauernden Fortpflanzungsunf ähigkeit aufgibt, bleibt dringend
notwendig. Seit dem letzten Jahr liegt dem Bundestag ein Antrag
der FDP-Fraktion vor, in dem wir umfassende Vorschl äge machen,
die bei einer Reform des Gesetzes zwingend beachtet werden
sollten. Ich kann hier nur an die Bundesregierung appellieren:
Schauen Sie sich doch noch einmal unsere Vorschläge genau an.
Dann hätten Sie sich und den Betroffenen im April einen
unsäglichen Referentenentwurf erspart und könnten schon längst
viel weiter sein. Im Gegensatz zu Ihrem untauglichen Versuch vom
letzten Monat haben die Vorschläge der FDP-Fraktion vom letzten
Jahr von den betroffenen Fachverbänden Zustimmung erfahren.
Zur Lösung der Probleme müssen sich endlich auch Union und SPD
bekennen, damit in der nächsten Legislaturperiode ohne Hast und
mit der gebotenen Sorgfalt endlich ein guter Gesetzentwurf
vorgelegt und auch verabschiedet werden kann. Die Betroffenen
haben jetzt lange genug darauf gewartet.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Als am 1. Januar 1981 das Transsexuellengesetz in Kraft trat,
war dies ein großer Vorteil für die Betroffenen. Zum ersten Mal
wurden Transsexuelle vom Gesetzgeber anerkannt. Die
Bundesrepublik hatte damit eine Vorreiterrolle übernommen.
Menschen, die sich im falschen Körper fühlen und ihren Körper
ihrem für sich beanspruchten Geschlecht angleichen wollten, wurde
vom Gesetzgeber eine Möglichkeit geboten in ihrem Geschlecht auch
anerkannt zu werden. Transsexuelle können einen anderen
geschlechtsbezogenen Vornamen annehmen. Dies wird als kleine
Lösung bezeichnet. Und Transsexuelle können ihren Personenstand
ändern, also ihren standesamtlichen Geschlechtseintrag. Also,
Herr statt Frau, oder umgekehrt. Dies ist die sogenannte große
Lösung.
Die Vornamens- und Personenstandsänderung ist für
Transsexuelle sehr wichtig; denn nur so können sie auch sicher
sein, dass sie sich nicht bei einem Brief vom Amt, der
Wahlbenachrichtigung oder Ähnlichem zu ihrem vorherigen
Geschlecht offenbaren müssen, es also zu einem ungewollten Outing
kommt.
Doch insbesondere die große Lösung ist mit erheblichen Hürden
verbunden. Hier sind im Besonderen zu nennen: ein kompliziertes
Gutachtersystem mit Anwartszeiten und erheblichen Kosten und die
Notwendigkeit zur Fortpflanzungsunfähigkeit. Die Betroffenen
empfinden die Begutachtung als entwürdigend. Der Zwang zur
Fortpflanzungsunfähigkeit ist besonders kritikwürdig. Das
Bundesverfassungsgericht erklärte 2005 in einer Urteilsbegründung
BverfG, BvL 3/03 vom 6. Dezember 2005 :
Für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung
von Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sieht die
Fachliteratur deshalb keine haltbaren Gründe mehr.
Im Februar setzte auch das österreichische Verwaltungsgericht
ein Signal, als es urteilte, dass schwerwiegende operative
Eingriffe keine Voraussetzung für die rechtliche Änderung des
Geschlechtseintrags sein dürfen.
Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, Sie stehen
unter Handlungsdruck. Das Bundesverfassungsgericht entschied im
Mai 2008 über die Pflicht zur Scheidung beim
Personenstandswechsel eines Transsexuellen nach der
Geschlechtsangleichung. Es entschied, dass dies nicht mit Art. 6
Abs. 1 des Grundgesetzes dem besonderen Schutz von Ehe und
Familie durch den Staat vereinbar sei. Das
Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber zu einer
Änderung bis zum August 2009.
Und nun legen Sie uns auf den letzten Drücker einen
Gesetzentwurf vor. Dabei beschränken Sie sich nur auf die Ihnen
auferlegte Neuregelung und dies wollten sie in erster Lesung
nicht einmal debattieren.
Aber eine Reform des Transsexuellengesetzes tut insgesamt not.
Aber den Bedürfnissen der Betroffenen wird dies nicht gerecht.
Denn unangetastet bleiben das entwürdigende und langwierige
Begutachtungssystem und die Pflicht zur Fortpflanzungsunfähigkeit
beim Wechsel des Personenstandes.
Sie hätten zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes die Chance zu
einer Reform des Transsexuellengesetzes, die die Würde der
Betroffenen achtet. Diese Chance haben Sie verpasst. Wenigstens
haben Sie Abstand genommen von dem zuvor in Ihrem Hause
kursierenden Entwurf, den Sie hier klammheimlich und in aller
Eile zunächst durchpeitschen wollten.
Die Linke sagt: Wir brauchen keine Sondergesetze für
geschlechtliche und sexuelle Minderheiten. Wir brauchen endlich
eine Liberalisierung der bestehenden Gesetze und
Verwaltungsvorschriften, die die Betroffenen in ihrer Würde
achtet.
Wir haben einen Antrag eingebracht, der das Vornamens - und
Personenstandsrecht liberalisieren würde. Dies würde auch
Transgendern und Intersexuellen zugutekommen. Die Änderung des
Vornamens sowie des Personenstandes soll damit allen Menschen
offenstehen. Ich bin froh, dass sich auch die Grünen unseren
Forderungen angeschlossen haben und hier einen Gesetzentwurf
vorlegen, der sich unseren Liberalisierungsbemühungen anschlie
ßt. Die Regierungskoalition hat die Möglichkeit in dieser
Legislaturperiode verpasst. Sie müssen sich jetzt vor den
Betroffenen rechtfertigen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das geltende Transsexuellengesetz ist fast 30 Jahre alt und
entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft. Es stellt für die
Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit unbegründete Hürden auf, die die Würde
und die Selbstbestimmung von transsexuellen Menschen
beeinträchtigen. Bereits fünfmal hat das Bundesverfassungsgericht
einzelne Vorschriften des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt
Auch weitere Vorschriften des TSG sind verfassungsrechtlich in
der Kritik.
Im Februar dieses Jahres kam aus dem Bundesinnenministerium
der Entwurf für ein Transsexuellenrechtsreformgesetz. In der
Begründung hieß es:
Das Transsexuellengesetz ist seit seinem Inkrafttreten am 1.
Januar 1981 nicht reformiert worden. Viele Regelungen entsprechen
nicht mehr dem heutigen Kenntnisstand. Auch verschiedene Eingaben
an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages in den
vergangenen Jahren zeigen, dass ein großes Bedürfnis für eine
Reform des Transsexuellengesetzes besteht. Aufbauend auf den
Anregungen der politischen Parteien im Deutschen Bundestag, von
Verbänden der Betroffenen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen
zu diesem Thema und vorliegenden Beschlüssen des
Bundesverfassungsgerichts sieht der Gesetzwurf eine umfassende
Reform des Transsexuellenrechts vor.
Leider hat der Entwurf nicht gehalten, was er versprochen hat.
Angesichts der massiven Kritik der Interessenverbände sowie von
Expertinnen und Experten wurde dieser völlig verfehlte
Reformversuch zurückgezogen. Anstatt aber die Kritik positiv
aufzugreifen und den Entwurf anzureichern, legt die Große
Koalition nun nur ein kleines Änderungsgesetz vor, das lediglich
der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der das
Erfordernis der Ehelosigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit den
Grundrechten unvereinbar ist, Rechnung trägt. Sie brauchten also
ein ganzes Jahr, um eine einzige Vorschrift vom TSG zu streichen.
Weitere Reformschritte werden hingegen auf die nächste
Legislaturperiode verschoben. Wieder wird eine Chance vergeben,
das Transsexuellengesetz insgesamt zu novellieren.
Nur am Rande möchte ich betonen, dass dieser Vorschlag in der
Realität nichts ändert. Der § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG wird schon
aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht
angewandt. Dies zeigt jedoch, wie viel Ignoranz in der Großen
Koalition steckt, wie wenig die Belange und das
Selbstbestimmungsrecht der transsexuellen Menschen für sie
bedeuten, und schließlich, wie wenig reformfähig die beiden
Regierungsparteien in den Fragen der Gesellschaftspolitik
sind.
Deshalb hat sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen
dafür entschieden, den Entwurf eines Gesetzes über die Änderung
der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit,
ÄVFGG, in den Deutschen Bundestag einzubringen. Damit sollen die
Grundrechte Transsexueller in vollem Umfang verwirklicht werden,
indem die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert wird,
anstatt transsexuelle Menschen in vorgegebene Raster zu pressen
und ihnen das Leben damit zu erschweren.
Deshalb wollen wir das Verfahren für die Änderung der Vornamen
deutlich vereinfachen und nur vom Geschlechtsempfinden des
Antragstellers abhängig machen. Es wird nunmehr auf die bisher
geforderte mindestens dreijährige Dauer des Zwangs des
Zugehörigkeitsempfindens zum anderen Geschlecht sowie auf den
irreversiblen Charakter dieses Empfindens verzichtet. Die
Transsexualität kann nicht diagnostiziert werden; lediglich der
Antragsteller selbst kann letztlich über seine geschlechtliche
Identität Auskunft geben. Außerdem tastet eine Überprüfung des
Ergebnisses des Sich-selbst-Begreifens von Staats wegen den
Sexualbereich des Menschen an, den das Grundgesetz als Teil der
Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz stellt.
Es wird weiter auf die Anrufung eines Gerichts verzichtet. Der
Antrag ist bei den nach jeweiligem Landesrecht für das
Personenstandswesen zuständigen Behörden zu stellen, sodass die
Vornamensänderung im Rahmen eines Verwaltungsaktes erfolgt.
Auch das Verfahren zur Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit soll vereinfacht und beschleunigt
werden. Es wird auf die verfassungsrechtlich unhaltbare
Voraussetzung einer dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit
verzichtet. Ebenso wird die Personenstandsänderung nicht mehr von
der deutlichen operativen Annäherung an das Erscheinungsbild des
anderen Geschlechts abhängig gemacht. Diese Kategorie ist nicht
zeitgemäß und lässt sich in einer individualistischen
Gesellschaft mit pluralistischen Lebensformen nicht definieren.
Damit sind das subjektive, mit den bisherigen Angaben nicht
übereinstimmende Geschlechtsempfinden des Antragstellers sowie
die auch heute geltenden statusrechtlichen Zugangsvoraussetzungen
einzige Bedingungen für eine Personenstandsänderung.
Der Deutsche Bundestag hat vor 30 Jahren ein Gesetz
vorbereitet, mit dem das Bundesverfassungsgericht sich schon
mehrmals befassen musste. Lassen Sie uns deshalb diesmal ein
Gesetz verabschieden, das die Grundrechte der transsexuellen
Menschen respektiert und keine Anhaltspunkte für die
Notwendigkeit einer weiteren verfassungsrechtlichen Überprüfung
gibt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 16/13157, 16/12893 und 16/13154 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.
Positionen vor der Plenarsitzung
FDP, 26.5.2009
Die FDP bezieht sich auf einen Gesetzentwurf, den sich (auf
den Tag genau) ein Jahr vor der Bundestagsdebatte in den
Bundestag eingebracht hatte: Drs
16/9335.
Kein neues Transsexuellengesetz im Schweinsgalopp
Zu den parlamentarischen Beratungen zu dem
Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz von CDU/CSU und SPD erklärt
die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gisela
PILTZ:
Nach dem Stillstand der vergangenen Jahre versucht die
Koalition nun eine Reform des Transsexuellengesetzes durch die
parlamentarischen Gremien zu peitschen. Einigkeit besteht darin,
dass diese Reform dringend überfällig ist. Inakzeptabel ist es
jedoch, diese Reform kurz vor Ende der Wahlperiode unausgereift
und mangelhaft zu verabschieden. Nach Aussage der Fachverbände
hat im Vorfeld eine Abstimmung mit Betroffenengruppen und
Sachverständigen nicht stattgefunden. Nach ersten Einschätzungen
der Verbände nimmt der Entwurf viele Forderungen der Betroffenen
nicht auf oder setzt sie unzureichend um. Insbesondere die
zahlreichen Anregungen aus der Sachverständigenanhörung im
Innenausschuss aus dem Jahre 2007 sind nicht aufgenommen worden.
Dies ist eine Respektlosigkeit gegenüber den Betroffenen und der
Fachverbände, die sich seit vielen Jahren in diesem Bereich
engagieren. Die Reform geht daher an den Interessen der
Betroffnen vorbei. Das Verfahren zeigt deutlich die
Geringschätzung dieses Themas und der Anliegen der Betroffenen
durch die Bundesregierung. Es ist daher besser, in dieser
Wahlperiode kein Gesetz mehr zu verabschieden, als ein schlechtes
Gesetz auf den Weg zu bringen. Auch aus Sicht der
FDP-Bundestagsfraktion ist der Gesetzentwurf nicht
zustimmungsfähig. Es muss bezweifelt werden, ob das Gesetz den
Betroffenen tatsächlich entscheidende Vorteile bringt, z.B. die
erhofften Verfahrenserleichterungen und
Endbürokratisierungsmaßnahmen. Aus Sicht der
FDP-Bundestagsfraktion ist besonders unerfreulich, dass der
Entwurf weiter an dem Erfordernis der dauernden
Fortpflanzungsunfähigkeit festhält. Die FDP-Bundestagsfraktion
fordert daher einen neuen Anlauf zu Beginn der 17.
Wahlperiode.
Frank Fischer, Referent für Rechtspolitik,
FDP-Bundestagsfraktion, Platz der Republik, 11011 Berlin,
Telefon: 030-22752414, Fax: 030-22756212,
Fischer@fdp-bundestag.de
Beschluss der CDU-Fraktion vom 23.5.2009
Transsexuellengesetz
zu Protokoll
Mit Beschluss vom 27. Mai 2008 (1 BvL 10/05) hat das
Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass § 8 Abs. 1 Nr. 2
des Transsexuellengesetzes (TSG) nicht mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz
vereinbar ist, weil er einem verheirateten Transsexuellen, der
sich geschlechtsändernden Operationen unterzogen hat, die
Möglichkeit zur personenstandsrechtlichen Anerkennung seiner
neuen Geschlechtszugehörigkeit nur einräumt, wenn seine Ehe
zuvor geschieden wird. Das Bundesverfassungsgericht hat § 8
Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes für nicht anwendbar
erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, den verfassungswidrigen
Zustand bis zum 1. August 2009 zu beseitigen.
Das Transsexuellengesetz-Änderungsgesetz setzt das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts um. Den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts soll durch Streichung des
Erfordernisses der Ehelosigkeit als Voraussetzung für die
Feststellung der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht nach § 8
Abs. 1 Nr. 2 Transsexuellengesetz Rechnung getragen werden. Nur
der Paragraph, den das Gericht für verfassungswidrig erklärt
hat, wird geändert. Dem verheirateten Transsexuellen wird
dadurch die Möglichkeit eröffnet, eine bestehende Ehe
fortzuführen.
Quelle:
CDU/CSU-Fraktion, 23.5.2008
Die Linken, Mai 2009
In Reaktion auf diese Initiative brachte die Fraktion der
Linken am 14. Mai 2009 einen
Antrag auf Abschaffung des TSG ein (Drs
16/12893):
hib-Meldung 144/2009 Datum: 14.05.2009 heute im Bundestag -
14.05.2009 Rechtliche Chancen für Transsexuelle, Transgender
und Intersexuelle schaffen Recht/Antrag Berlin: (hib/BOB) Die
Linksfraktion hat die Bundesregierung aufgefordert, umgehend
ein Gesetz vorzulegen, welches das Transsexuellengesetz in der
bisherigen Form aufhebt und durch Regelungen im Namens- und
Personenstandsrecht rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für
Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle schafft. In einem
Antrag (16/12893) wird Bezug auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts genommen, welches die Bundesregierung
bis zum August 2009 aufgefordert habe, das Transsexuellengesetz
zu verändern. Die Ehelosigkeit als Voraussetzung für einen
personenstandsrechtlichen Geschlechtswechsel eines
transsexuellen Menschen halte das Bundesverfassungsgericht für
nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, so die Linksfraktion. Sie
fordert deshalb unter anderem, dass eine Vornamensänderung auf
Antrag vorgenommen werde. Auf die Änderung bestehe ein
Rechtsanspruch. Mehrere Vornamen verschiedenen Geschlechts
seien möglich. Die nach geltendem Recht für die
personenstandsrechtliche Geschlechtsänderung von Transsexuellen
erforderliche "dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit" und das
Erfordernis der operativ herzustellenden "deutlichen Annäherung
an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts" dürfen nach
den Vorstellungen der Fraktion keine Voraussetzung mehr sein.
Die operative Herstellung der Fortpflanzungsunfähigkeit oder
Geschlechts angleichende Operationen seien keine
Voraussetzungen mehr für eine Änderung des
personenstandsrechtlichen Geschlechts. Strebe ein Menschen, der
in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder in einer Ehe
lebe, eine Personenstandsänderung an, werde eine mit
Herstellung der Geschlechtsänderung entstandenen
gleichgeschlechtliche Ehe in eine eingetragene
Lebenspartnerschaft ungewandelt und eine
verschiedengeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft in
eine Ehe.
Entwurf des BMI, April 2009
Am 8. April 2009 veröffentlichte das BMI überraschend einen
Referentenentwurf
zur Reform des Transsexuellengesetzes und bat um
kurzfristige Stellungnahme. Dies war ursprünglich nicht geplant;
die Anfrage an die Betroffenen erfolge auf Druck des LSVD. Trotz
zahlreicher Papiere verschiedener Gruppen wurden diese nicht in
die Diskussion des Entwurfs eingebracht. Der Entwurf wird dem
Bundestag vom Kabinett unmodifiziert vorgelegt.
FDP, Mai 2009, Menschenrechte von Lesben, Schwulen,
Bisexuellen und Transgendern in Deutschland und weltweit
schützen
Dieser Antrag (Drs
16/12886)steht nur zum Teil in unmittelbarem Zusammenhang mit
dem aktuellen Reformvorhaben. Er greift in erster Linie
übergreifende Themen auf, insbesondere die noch ausstehende
Ratifizierung der Yogjakarta-Prinzipien der
UN, in denen
Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die
sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität
eingeführt werden.
In dem Antrag wird gefordert, aktive Maßnahmen zur
Verminderung der Benachteiligung Homosexueller und
transgeschlechtlicher Menschen einzuführen, aber auch das TSG zu
reformieren, insbesondere den OP-Zwang abzuschaffen.
BMI, April 2009, Stellungnahmen
Aufgrund des Drucks vor allem seitens des LSVD hat das BMI die
Betroffenen-Verbände kurzfristig um Stellungnahmen gebeten. Diese
Stellungnahmen werden, soweit sie öffentlich bzw. autorisiert
sind, auf dieser Seite zur Einsicht zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus erstellte die DGSF (Deutsche Gesellschaft für
Sexualforschung) im Zuge dieser Anhörung ebenfalls eine
Stellungnahme, in der dem Vernehmen nach ähnliche Bedenken
geäußert wurden wie seitens der Betroffenen, allerdings Wert auf
die grundsätzliche Beibehaltung des Begutachtungsverfahrens
gelegt wurde.
Papiere, die sich unmittelbar und ausschließlich auf den
Gesetzentwurf vom April 2009 beziehen:
Zur dokumentatorischen Vollständigkeit hier noch die Verweise
auf die anderen Stellungnahmen, soweit sie vorliegen, auf
ergänzende und übergreifende Informationen, vor allem aber auf
wissenschaftliche und medizinische Analysen des Vorhabens:
Da die Expertenanhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen
Bundestags vom 28.2.2007 nur in relativ geringem Umfang in das
Gesetzgebungsvorhaben eingeflossen zu sein scheint und die
Dokumente in der chronologischen Dokumentation des Deutschen
Bundestags leicht untergehen, soll im folgenden auch auf diese
Materialien verwiesen werden.
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